Wichtige Tipps

Wie schreibt man einen guten Bericht an den Gutachter, der positiv beschieden wird?

 

Viele Kollegen tun sich schwer damit oder haben Sorge, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können. 

 

In der Tat handelt es sich bei dem Bericht an den Gutachter um ein Kurzgutachten, das vielfältige Anforderungen beinhaltet. In diesem Kurzgutachten werden mehrere psychologisch-diagnostische Analysen vorgenommen.

 

Es müssen vor allem

  • eine diagnostische Einordnung nach ICD-10 und damit auch Differentialdiagnostik 
  • ein psychischer Befund und Diagnostik analog dem AMDP-System
  • eine verfahrensspezifische Beschreibung und Erklärung der Symptomatik (z.B. SORKC-Analyse in der VT, Konfliktdynamik, Neurosenstruktur, Abwehr, Strukturniveau bei den dynamischen Verfahren) 
  • eine verfahrensspezifische, individualisierte Therapieplanung 
  • eine prognostische Einschätzung

vorgenommen werden. Es sind also vielfältige Kompetenzen des Psychotherapeuten angesprochen.

 

Eine Herausforderung liegt auch darin, all diese Schritte mit begrenztem Raum (2-3 DIN A4 Seiten) vorzunehmen.

 

 

 

Die wichtigsten Ratschläge für einen aussagekräftigen und validen Bericht an den Gutachter

Unterpunkt Symptomatik

  • Die Krankheitswertigkeit der Symptomatik muss deutlich werden
  • Die dargestellte Symptomatik muss zu den später vergebenen Diagnosen nach ICD-10 passen
  • Die Symptomatik wird so dargestellt, wie der Patient sie erlebt und schildert (ggf. auch wörtliche Zitate nutzen)
  • Eine Gewichtung der Symptomatik innerhalb und zwischen Diagnose(n) erkennbar werden lassen
  • Bei Essstörungen diese ausreichend präzise schildern (nicht ausreichend: "Die Patientin gibt an, regelmäßig selbst herbeigeführt zu erbrechen"), sondern Häufigkeit und Intensität des Verhaltens werden geschildert
  • Bei PTBS reicht es nicht aus lediglich zu nennen, die Patientin habe wiederkehrende schlimme Erinnerungen an ein Ereignis. Dieses muss genannt werden, ebenso wie die zusätzlich vorliegenden Symptome, die die Diagnose PTBS rechtfertigen
  • Bei Angststörungen ist wichtig darauf zu achten, die Angst zu konkretisieren, sodass auch hier die Zuordnung zur Diagnose valide ist

Unterpunkt psychischer Befund

  • Auch der psychische Befund muss zur dargestellten Symptomatik und ICD-10 Diagnose(n) passen. 
  • Bei den neuen Berichten (nach der aktuellen PT-Richtlinie) muss sicher nicht mehr ein vollständiger AMDP-Befund erstellt werden, es sollte aber immer Auskunft zu den AMDP-Unterpunkten Stimmung, Antrieb, Suizidalität gegeben werden
  • Zu den übrigen Symptomen nach dem AMDP-System sollte im Sinne der nur dann etwas gesagt werden, wenn Auffälligkeiten bestehen

Unterpunkt somatischer Befund/Konsiliarbericht

Auch psychologische Psychotherapeuten sollten in diesem Unterpunkt nicht lediglich auf den Konsiliarbericht verweisen

In diesen Unterpunkt gehören Angaben 

  • zum Konsum von Nikotin, Alkohol oder anderen Substanzen
  • zur psychopharmakologischen Medikation
  • zu Vorbehandlungen (Zeitpunkt, Dauer, Anlass, Resultate) 

Unterpunkt Lebensgeschichte und Störungsmodell (Verhaltensanalyse oder Psychodynamik)

  • die wichtigsten Angaben zur Lebensgeschichte müssen auf deskriptiver Ebene enthalten sein:
    • Beziehung zu primären Bezugspersonen, Familienatmosphäre
    • Verlauf der schulischen und beruflichen Entwicklung, soziale Integration
    • Verlauf der partnerschaftlichen und sexuellen Entwicklung, ggf. Beziehung zu Kindern
    • Derzeitige soziale Kontakte und Freizeitgestaltung

Für die Verhaltensanalyse: Bei Arbeit mit dem SORKC-Modell müssen alle Variablen außer K auf Makroebene analysiert sein. Eine zusätzliche Mikroanalyse ist nur nach altem Modell gefordert (Private Versicherungen oder Beihilfe):

  • S: Auslösebedingungen herausarbeiten
  • O: Persönlichkeit des Patienten beschreiben, z.B. mittels Schemata, Oberplänen
  • R: ggf. ausgelöste Gefühle kurz nennen (keine Wiederholung der bereits beschriebenen Symptomatik), sondern typische zur Erkrankung gehörende Verhaltensweisen (wie z.B. sozialer Rückzug, Kontrollverhalten) nennen
  • C: die kurzfristigen und langfristigen Konsequenzen der Symptomatik und Verhaltensweisen sowie Verstärkungsbedingungen (C+, C-/, C-) analysieren

Für die Psychodynamik: 

  • die mit der kindlichen Situation verbundenen Affekte, Gefühle, Frustrationen und konflikthaftes Erleben herausarbeiten
  • Persönlichkeitsentwicklung des Patienten beschreiben z.B. mittels Introjekten, Über-Ich, Ich-Ideal, falsches Selbst, Selbst- und Objektrepräsentanzen, Neurosenstruktur, Kompensation und Abwehr, ggf. strukturelle Besonderheiten nennen
  • Aktuell auslösende Bedingungen identifizieren
  • Erklären, was diese Bedingungen bei dem Patienten affektiv auslösen / reaktualisieren. Reaktualisierte Konfliktdynamik in der jetzigen Situation beschreiben
  • jetzige Abwehr und Symptombildung erklären (z.B. Wendung gegen das Selbst, Verschiebung)

 

Unterpunkt Diagnose(n) nach ICD-10

  • nur so viele Diagnosen wie nötig (d.h. auch klare Entscheidungen treffen, z.B. nicht F43.2 und F32.1 gleichzeitig vergeben)
  • Diagnosen müssen zur Symptombeschreibung und zum psychischen Befund passen, keine Widersprüche
  • Grad der Sicherheit: G (gesichert) oder V (Verdacht) angeben. Ggf. auch DD (Differentialdiagnose) bei Unsicherheit angeben oder diskutieren

Bei dynamischen Verfahren:

  • zusätzlich Neurosenstruktur, Strukturniveau, OPD-2-Konfliktachse benennen, falls noch nicht geschehen

 

Unterpunkt Behandlungsplan und Prognose

 

In der Verhaltenstherapie: Individualisierte, konkretisierte Therapieplanung vornehmen

  • Ziele müssen individuell auf den Patienten abgestimmt sein, mit konkreten Beispielen füllen (spezifische, messbare, realistische Ziele) 
  • Methoden müssen zu den jeweiligen Zielen passen
  • Nicht zu viele Ziele und Methoden, sondern realistisch im Hinblick auf das Kontingent
  • Bei gesetzlich Versicherten Patienten: Angeben, ob Rückfallprophylaxe geplant, nicht geplant oder noch nicht absehbar

 

Bei der tiefenpsych. fundierten Psychotherapie:

  • Angaben zum individuellen Umgang mit der therapeutischen Beziehung unter Berücksichtigung zu erwartender Widerstände und der Übertragung-Gegenübertragungsdynamik
  • Konfliktarbeit beschreiben und erhoffte innere Veränderungen nennen
  • konkrete und individuelle Ziele in der aktuellen und künftigen Lebenssituation benennen
  • ggf. bis zu 2 Strukturfoki falls notwendig beschreiben

Richtlinienkonformität einzelner Methoden beachten!

 

Prognose:

  • muss mindestens als "ausreichend günstig" oder günstig ausfallen
  • realistische Prognose auch unter Nennung prognostisch ungünstiger Faktoren, Einbezug von Ressourcen, Therapiemotivation, Introspektionsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit